Berichte von 09/2023

Ein Monat

30Sept2023

Nun bin ich einen Monat hier. Das kommt mir einerseits schon sehr lange vor, andererseits scheint er auch im Fluge vergangen. Ich bin vier Wochen hier, jeden Tag habe ich aber doch erst maximal vier Mal miterlebt. Dadurch weiß ich schon mehr was ich tun muss, bin dann aber doch wieder unsicher oder verwirrt, weil die Routine jedes Tages dann wieder etwas anders ist. Stetiges Leben um die  Chaverim, Mittwochs ist dann aber der Seminartag, wo ich vorwiegend die anderen Freiwilligen sehe. Oft geht es in die Weberei, Freitags dann aber zu den Streicheltieren. Jeden Tag gibt es auf Tabletts vorbereitetes Frühstück, Samstag gibt es dann aber Selbstbedienung am Tisch. Wobei der Shabbat sowieso anders ist, meistens entspannter. Und wenn man dann meint eine Ahnung vom Ablauf zu haben, steht schon wieder ein Fest vor der Tür. Mal nur eine kleine Abweichungen vom "Normalen" , weil jemand im Haus Geburtstag hat (drei diesen Monat) . Mal eine Große, weil Roshashana (jüdisches Neujahr) , Jom Kipur (Versöhnungstag, höchster Feiertag) oder Sukkot (Laubhüttenfest) zelebriert wird. Und all das war nur im September.

Manchmal ist es ganz schön viel, manchmal kann ich mich aber auch einfach treiben lassen. 

Boker tov - Nun bin ich drei Wochen hier

19Sept2023

Langsam habe ich das Gefühl, dass mein Gehirn nicht mehr zwei Stufen über dem normal Modus läuft. Langsam brauch ich nicht mehr alles gleichzeitig zu verstehen und während dessen sinnlos in der Küche rumstehen. Langsam brauch ich nicht mehr alles fragen und kann einzelne Worte in Hebräisch sagen. Langsam, langsam.

Anfangs schaute ich nach und nach überall rein, versuchte mir die Routinen zu merken und sollte meine Kräfte zu stärken.

Ich half zunächst bloß in der Küche beim Vorbereiten und mir wurde immer wieder etwas über das Kfar oder die Chaverim (auf Hebräisch "Freunde", womit die Bewohner gemeint sind) in unserem Haus erklärt. Erst seit dieser Woche ging es wirklich in die pädagogische bzw. pflegerische Richtung.

Ich kümmere mich hier größten teils um einen bestimmten Chaverim aus meinem Haus. Wobei kümmern nicht heißt, ihn zu füttern oder zu waschen. Es heißt viel mehr, ich bin da, um ihm zu sagen, was als nächstes kommt und zu verhindern, dass er an irgendeiner Kleinigkeit hängenbleibt.  Mit Kleinigkeit mein ich so etwas wie, dass das Handtuch korrekt hängen muss (wobei die Ordnung aber auch von Tag zu Tag anders ist) oder auch einfach dass einzelne Blätter auf der falschen Stelle auf dem Weg liegen.

Dies bringt mich manchmal fast zum Verzweifeln, besonders Morgens, da er sich da anziehen, das Bett machen, ich ihm die Zähne putzen und rasieren muss und das alles in einer bestimmten Zeit. Manchmal geht es aber auch plötzlich ganz leicht und er hat immer ein niedliches Lächeln auf den Lippen und manchmal müssen wir beide auch einfach nur schallend lachen.

Nach der Morgenroutine, welche nach dem oben Beschriebenen mit einem gemeinsamen Frühstück im Haus und einem anschließenden Morningsong mit dem ganzen Kfar (Hebräisch für Dorf) vollendet ist, geht es in die Werkstätten. Hier bin ich in der Weberei. Diese ist ein sehr guter Ort zum ausruhen, allerdings muss ich auch manchmal aufpassen nicht einzuschlafen, denn Schlaf kommt teilweise etwas kurz.

Nach den Werkstätten gibt es im jeweiligen Hause (es sind hier sieben verschiedene Häuser) Mittagessen und dann hat man zwei Stunden Pause. Diese habe ich anfangs fast komplett durchgeschlafen, weil es einfach so viele Eindrücke auf einmal waren, mittlerweile bleibt auch schon Zeit für anderes. Nach einem kleinen Kaffeetrinken geht es dann wieder an die Arbeit, welche jedoch immer verschieden ist, abhängig davon, was gerade ansteht.

Vor dem Abendessen muss ich meinen Chaverim beim Duschen beaufsichtigen und nach dem Essen gibt es eine von den Coworker (Freiwilligen) organisierte Abendktivität.

Somit endet der Tag zwischen acht und neun Uhr, je nach dem, ob man für den Abend und das zu Bett bringen verantwortlich ist. 

Es ging wirklich los

18Sept2023

Gerade aus Schweden wiedergekommen, sah ich viele von euch für ein Jahr das letzte Mal, dies zu realisieren fiel mir sehr schwer. Machte vieles noch ein letztes Mal. Dann war plötzlich der Rucksack entgültigen gepackt und mir wurde bewusst, dass ich dessen Inhalt erst wieder in einer komplett neuen Umgebung sehen werde. Ein letzter gemütlicher Abend zuhause und am nächsten Morgen saßen wir im Auto nach Berlin. Auf dem Flughafen ging es direkt in die israelische Sicherheitskontrolle. Erst beantworten, was man in Israel macht, wo und wieso, anschließend wurde mein gesamtes Handgepäck auseinandergenommen und dann musste ich mich unter diskreter Aufsicht der Israelis von Mama und Hele verabschieden. Nun ging es für mich alleine weiter. Erstmal durch das Labyrinth der Flughafen Kontrolle und dann warten. Hier sah ich bereits mein Flugzeug und merkte, wie die erste Sorge von mir abfiel und ich meine Gedanken weiter nach vorne richten konnte. Nach langen theoretischen Überlegungen, wie es sein könnte, was man brauchen könnte, worauf man sich einrichten muss, ob alles gut geht oder ob ich nicht doch noch meinen Flug verpasse, ging es dann wirklich los. 

Mit dem Blick auf dieses Flugzeug, welches mich dann nach Israel bringen würde, fing ich langsam an zu realisieren, dass ich nicht mehr irgendwo in Deutschland hängen bleiben werde, sondern wirklich mich auf ins Neue machte, von dem ich bisher immer nur erzählt hatte. Ich fing an zu realisieren, dass ich jetzt meine Vorstellungen durch wahre Bilder ersetzen werde. 

Und dann saß ich in diesem Flugzeug und hörte das erste Mal kein Deutsch mehr. Ich war umgeben von Hebräisch. Den Flug verbrachte ich hauptsächlich mit Schlafen und aus dem Fenster schauen, ich hatte eine sehr gute Sicht. Und irgendwann war es wie ein Grenze im Himmel, denn plötzlich gab es keine Wolken mehr. 

Dann kam die Küste und schon sah ich Tel Aviv und kurz darauf erkannte ich auch Jerusalem. 

Als ich den ersten Fuß aus dem Flugzeug in den Flughafen setzte, konnte ich es kaum glauben, dass ich wirklich in Israel stehe. Nachdem ich mein Gepäck bekommen hatte suchte ich meinen Zug, was aufgrund der neuen Schrift etwas schwieriger war. Letztlich fand ich einen, doch beim Umsteigen wählte ich scheinbar einen S-Bahn ähnlichen Zug, wodurch ich eine Stunde später als erwartet ankam. Mit der Information es wartet ein weißes Auto auf dich stieg ich in Be'er Sheva aus. Dort stand jedoch nicht nur ein weißes Auto, sondern mindestens 15 und nach ein paar Minuten stellte ich fest, dass keines dieser Autos auf mich wartete. Leider konnte ich mit meinem Handy auch noch nicht kommunizieren, da ich noch eine europäische Nummer hat. Wie es der Zufall dann aber wollte, fragte mich eine Frau, wo ich den hin müsse und erklärte sich kurzer Hand bereit mich ins Kfar Rafael zu fahren. So kam ich dann gegen 10 Uhr abends entlich hier an und das erste was mir auffiel, war der Geruch und das Gefühl von Salzwasser in der Luft. 

 

Von meinen Hauseltern und den Mitfreiwilligen wurde ich trotz der Verspätung sehr liebevoll willkommen geheißen, was mir das ankommen um Einiges erleichterte.