Berichte von 01/2024

Immer wieder von vorne anfangen

16Jan2024

Nun bin ich schon mehr als einen Monat hier und es fühlt sich doch manchmal so an, als ob ich erst vor ein paar Tagen angekommen bin. 

Immer wieder gab es Veränderungen und sie halten an. Mein Ankommen lag in der Weihnachtszeit, was bedeutete, dass kaum etwas so war, wie es normalerweise ist. Angefangen, bei den fünf Villagern (so werden hier die Zubetreuenden genannt) von denen nur zwei da waren, bis hinzu, dass mich statt den typischen Workshopaufgaben Weihnachtsputzen und -deko erwartete. Soweit ich mich erinnern kann, war ich recht froh über den langsamen Einstieg, allerdings war Weihnachten dann doch herausfordernder als ich gedacht hätte. Umgeben von vielen Menschen, die ich kaum kannte, welche alle die Hoffnung ausstrahlen, dass es ein familieres gemütliches Beisammensein ist, ich mich jedoch noch nicht richtig zugehörig fühlte. Und auch auf der Co-worker Weihnachtsparty schaute mich beinahe jeder mit dem fragenden Blick von wegen "gehörst du zu uns?" an. 

Somit waren für mich die ersten Verbindungen zum Dorf und damit zum System meine Hauscoordinatorin, eine Freiwillige, die ich noch vom Seminar kenne und mein Mitfreiwilliger im Haus. Die drei öffneten mir (zumindest spaltbreit) jeweils eine andere Tür zur Community. Und dann musste mein Mitfreiwilliger plötzlich wieder zurück nach Israel. Von einen auf den nächsten Tag brach eine meiner Stützen weg, brachte mich aus dem Gleichgewicht. Und noch am selben Tag, kam ein neuer Freiwilliger. Während ich noch versuchte wieder Balance zu finden, stieg er gleich voll in das Communityleben ein. Die nächsten Tage gab es dann gar keine Workshopaktivitäten mehr, sondern spezielle Gruppen. Erst besuchte ich nur eine, dann übernahm ich die Movement Gruppe von meinem israelischen Freiwilligen. Und nebenbei sollte ich im Haus immer wieder Routinen erklären, während ich sie selbst noch kaum kannte.

Anschließend kam noch Silvester. Gemeinsames Essen und tanzen mit dem ganzen Dorf und nach einer kleinen Messe in der Kapelle folgte eine Karaokeparty und die nächste Co-worker Party. Diesmal kannte ich schon ein paar mehr Leute, wodurch ich es ein wenig mehr genießen konnte. 

Nach guten zwei Wochen mit einem Co-workerwechsel im Haus lernte ich dann die Workshops kennen. Nach und nach kamen dann auch alle Villager wieder und so konnte entlich eine Routine entstehen. Langsam wurden wir ein gutes Hausteam, langsam lernte ich - durch Ausflüge in die Stadt oder an den Strand oder beim Roddeln- mehr und mehr Co-worker kennen. 

Und dann wurde ich krank, aber so richtig. Eine Mandelentzündung schottete mich knappe zwei Wochen von allem ab. Gerade hatte ich angefangen einen Weg zu finden, mehr Kontakt aufzubauen und nun war alles stillgelegt. Und dann machten mir auch noch die Sprachbarriere zu schaffen, dass was ich brauchte, zu kommunizieren. 

Zur gleichen Zeit, als draußen der Schnee schmolz, ging es auch bei mir wieder aufwärts. Schrittweise konnte ich wieder in die mir gerade erarbeitete Routine einsteigen und auch meinem Mitfreiwilligen, der zur selben Zeit krank war, ging es wieder besser. Kaum zurück, kam die nächste Änderung.

Es gab wieder einen Co-workerwechsel in meinem Haus. Es wiederstrebte mir sehr, mich schon wieder auf ein neues Team einzustellen. Doch die erste Woche war ich beinahe alleine im Haus, da unser neuer Replacer auch krank war und meine Hauscoordinatorin voll mit Meetings und Theaterproben ausgebucht war. So war ich wieder im Haus gefangen und mir war die Möglichkeit verstellt, die anderen Co-worker näher kennenzulernen. Dies war eine sehr frustrierende Situation. Die letzte Woche hat es sich dann aber wieder entspannt. Doch ich weiß, dass es in zwei Wochen wieder anders wird, wieder ein neues Team... 

Was nun?

14Jan2024

Zwei Monate komplett ohne Orientierung. Freie Zeit mit der man eigentlich einiges machen kann. Zeit in der ich mir bewusst werden könnte, was ich "später mal machen will". Zeit in der ich rumfahren und Freunde und Familie besuchen könnte. Zeit in der ich neue Hobbys ausprobieren oder spannende Orte hätte kennenlernen können. Doch was tat ich, kaum etwas davon. Mir war das zwar alles mehr oder weniger bewusst, aber es in die Praxis umzusetzen hätte mich unendlich viel Energie gekostet. Letztlich bin ich in diesen zwei Monaten kaum aus Dresden raus gekommen, habe zwar eine Jobmesse besucht und viel recherchiert, doch trotzdem nicht die Frage nach den Zukunftspläne geklärt und auch in anderweitige Interessen bin ich nicht weitergekommen.

Daher war ich sehr froh, als ich dann die Entscheidung getroffen hatte, in einem anderen Land mein zerissenes Jahr weiterzuführen. Die entgültigen Entscheidung fiel dann auf die Camphill Community Newton Dee in Schottland.

Als es dann etwas plötzlich los ging war ich trotzdem aufgeregt, denn im Gegensatz zu Israel war die Planung eher wie ein Tagesausflug. Ich hatte kaum eine Ahnung, was mich erwarten würde. Erst vor Ort, als ich es sah, wurde mir bewusst, dass hier ja die Autos auf der anderen Seite fahren und auch die Steckdosen anders aussehen. Doch trotzdem hat alles ziemlich gut geklappt und ich bin diesmal nur mit 30min statt 2h später angekommen. Somit wurde ich nun auch wirklich vom Bahnhof abgeholt und kam zum Abendessen in Newton Dee an. Hier wurde ich von meiner Hauscoordinatorin, zwei Villagern und einem behaglichen Dachzimmer begrüßt.