Gerade war es noch Erzählung, jetzt Realität

11Nov2023

Nun gab es eine ziemlich lange Pause hier, denn bei mir ist ziemlich viel passiert. Immer wieder wollte ich von dem einen oder dem anderen Erlebnis berichten. Denn es gab einige kleine Begebenheiten, die für mich groß waren und spannende Ausflüge, zum Beispiel Jerusalem an Sukkot. Doch dann wurde plötzlich alles ganz anders und es änderte sich so viel, dass ich anfangs nicht die Zeit zum Schreiben fand und als ich sie dann hatte, wusste ich nicht wo ich anfangen sollte. Erstmal die alten Ereignisse nachholen oder doch vom Aktuellen berichten?

Viele haben sich nach mir erkundigt und es tut mir sehr leid, dass ich so späte oder manchmal gar nicht geantwortet habe. Und daher dachte ich erzähl ich erstmal, wie ich die letzte Zeit in Israel erlebt habe und wie ich zurück geholt wurde. Die anderen Themen folgen dann später.

Ihr kennt doch bestimmt das Geräusch von den Feueralarmproben mittwochs um 15 Uhr, oder? Von eben diesen Sirenen wurde ich am Samstag (07.10.) geweckt. Im ersten Moment war ich irritiert und erschrocken, aber letzteres weniger als ich in einer solchen Situation erwartet hätte, denn ja, es war der Bombenalarm.

Zuvor wurde mir fast wie in einem Nebensatz gesagt, "in einer Alarmsituation musst du übrigens innerhalb von 60 Sekunden in den Bunker". Ich musste daraufhin erstmal fragen, wo dieser denn sei. "Da wo du deinen Chaverim immer zum Morgensport hinbegleitest", kam als Antwort. Okay. Das zeigte mir, wie normal eine solche Lage für die Israelis war. Für mich war es theoretisch in meinem Kopf abgespeichert. 

Dieses Gespräch fand eine knappe Woche vorher statt, so wusste ich, was zu tun war. Ich stand zwar unter Strom, doch war auch etwas zögerlich. Ich zog mir schnell eine Hose und einen Pullover über und ging schnell in die Küche. Dort sah ich "meinen" Chaverim schnell zum Bunker laufen. Das räumte dann die letzten Zweifel aus, denn wenn er schnell läuft, ohne sich von irgendetwas ablenken zu lassen, mag das wirklich was heißen. Somit beeilt ich mich und kam gleich darauf in den Bunker, wo auf den drei Betten, den Stühlen und dem Boden, die anderen bereits saßen.

Alle zwar wach und etwas geschockt, doch recht entspannt und mit dem Gedanken schnellstmöglich nochmal kurz ins Bett zu gehen. Nach zehn Minuten war es dann auch so weit, wir konnten wieder raus. Ich legte mich wirklich ins Bett, doch wirklich schlafen konnte ich nicht wieder. Man hörte immer wieder Flugzeugen, die tief flogen und Krankenwagen aus der fehrne. Doch in dem Moment war es für mich noch, 'okay, so fühlt sich nun also ein Bombenalarm an', ich hatte nun die praktische Erfahrung zur theoretischen Erzählung.

Wenig später gab es aber einen weiteren Alarm. Wieder aufspringen, schnell was überziehen und rüber in den Bunker. Nach zehn Minuten gingen die ersten langsam raus, doch kamen gleich zurück, denn der nächste Alarm kam. Die Regel ist nach einem Alarm zehn Minuten warten, wenn dann kein weiterer kommt, darf man rausgehen. Ja, nun gab es immer wieder Sirenen, weshalb wir erstmal bis neun im Bunker blieben, erzählten und sangen. Es wurden sich Bücher angeschaut und gepuzzelt. Irgendwann kamen die Sirenen mit größeren Pausen, was hieß, dass wir Freiwilligen und die Hauseltern immer wieder kurz raus konnten, um uns anzuziehen und das Frühstück vorzubereiten. So kam eine Person mit der Zahnbürsten im Mund wieder, die nächste hatte noch die Schlafanzughose an und beim nächsten alarm durfte man nicht vergessen schnell das Gas unterm Porridge auszudehnen.

Gegen Mittag hatte sich die Situation etwas beruhigt und es durften wieder alle aus dem Bunker raus, doch wir mussten es n der Nähe des Haus bleiben. Wir Freiwilligen bereiteten in der Küche das Mittagessen vor und suchten Beschäftigungen für die Chaverim. Zwischendurch telefoniert mal die ein oder andere Person, doch nur wenn wir alleine waren, denn vor den Chaverim sollten wir nicht über die Situation sprechen. Von meinen Mitfreiwilligen erfuhr ich, dass es mehr als die üblichen Alarme war. Dies war mir zwar schon bewusst, doch es nochmal so zu hören, war was anderes. Von den Hauseltern wurde uns immer wieder angeboten, eine Pause zu machen, doch jeder probierte die Normalität weitestgehend aufrechtzuerhalten. Als wir dann beim Essen saßen und fast jeder aufgegessen hatte, gab es nochmal einen Alarm, doch dieser sollte der vorletzte sein, den ich hören würde.

In der Mittagspause sollten wir ein paar Sachen packen, weil es die Überlegung gab, dass wir evakuiert werden. Doch niemand wusste, für wie lange und was genau benötigt wird. Den restlichen Tag blieben wir dann aber erstmal im Kfar Rafael und auch in der Nacht gab es entgegen unserer Erwartungen keine weiteren Sirenen. Doch ruhig schlafen konnte man trotzdem nicht, wie am Morgen hörte man wieder die ganzen Geräusche von Flugzeugen und Krankenwagen und auch teilweise ein entfernter Bombenanschlag. Und wir waren auch alle sehr aufgewühlt, weshalb noch lange geredet und telefoniert wurde. 

Am nächsten Tag gab es dann die konkrete Ansage, dass mein Haus und anderthalb weitere gen Süden fahren würden. Somit bestand der Vormittag daraus restliche Sachen zusammenzupacken und dann ging es mit einem Reisebus aus dem Dorf und der Stadt raus, rein in die Wüste und vorbei am Toten Meer bis nach Ein Yahaf (nahe der jordanischen Grenze)